Wie kommen wir zum Glauben?


Evangelium

Damit ihr zum Glauben kommt“, sagt Jesus den Jüngern, und er sagt es uns. Nur deshalb sagt er diese Worte hier im Evangelium, damit wir zum Glauben kommen.

Aber wie kommen wir zum Glauben?

Früher war alles einfacher, sagen manche. Da ging man in die Kirche und dort wurde uns gesagt, was wir glauben und glauben sollen. Aber war es so einfach? Auch früher lebten die Menschen in einer Welt voller Veränderungen, und spätestens seit der Französischen Revolution waren diese Veränderungen so grundstürzend, so umfassend, dass die Kirche (auch damals schon) mit ihren Ansagen immer weniger durchdrang. Immer mehr Menschen leben seitdem in aufgeklärten Gesellschaften, und die Kirche unternahm bis in 20. Jahrhundert hinein immer kläglichere Versuche, die Moderne abzuwehren und sich und die Menschen, die ihr anvertraut sind, für den Veränderungen zu „schützen“.

Noch 1922 verurteilte Pius XI. den, wie er es nannte „sozialen Modernismus“, und er meinte damit nichts anderes als Demokratie und Mitbestimmung, die den Glauben und die Lehren der Kirche missachte. Erst das II. Vatikanische Konzil machte 1965 Schluss z.B. mit dem Eid, den alle Geistlichen schwören mussten, die Lehre der Kirche gegen die „Irrtümer der Zeit“ zu verteidigen. Um so mehr stehen wir heute vor der Frage: Wie kommen wir zum Glauben?

So wie die Jünger stehen wir einigermaßen hilflos da. Wir dürfen nicht vergessen: Diese Stelle im Johannesevangelium schließt sich unmittelbar an die Fußwaschung und das Letzte Mahl Jesu mit den Jüngern an. Über drei Kapitel im Johannesevangelium hält er seine Abschiedsreden an die Jünger.

Ich gehe fort“, sagt er, das heißt, ich gehe den Weg zum Kreuz, den Weg in den Tod. Und dann sagt er: „…  und ich komme wieder zu euch.“ Wie sollten die Jünger das in dem Moment verstehen? In der Situation vor der Auferstehung!

Aber auch nach den Erscheinungen, die die Jünger nach Ostern erfahren, auch da geht er wieder fort. Daran erinnern wir uns nächsten Donnerstag an Christi Himmelfahrt. Aber er sagt den Jüngern und auch uns: Der Geist, den der Vater euch schickt, wird euch dann alles lehren. Das hier ist eine Situation des Abschieds. Der Jünger hören, dass eine Zeit kommt, in der Jesus nicht mehr sichtbar unter ihnen ist, und Abschiede sind immer schmerzlich. Wir alle kennen das. Die kleinen Abschiede des Alltags und die großen Abschiede des Lebens; am meisten, wenn wir einen lieben Menschen verlieren. So wie den Jüngern geht es uns auch: Wir stehen hilflos und ratlos da. Und da sagt uns Jesus: Das alles sage ich euch, „bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.“ Er sagt es uns. Er sagt uns seine Worte. Er gibt uns nichts anderes als sein Wort. Und wenn wir ihn lieben, wenn wir also glauben und dem vertrauen, was er uns sagt, halten wir seine Worte. Halten nicht im Sinne von „Gebote halten“, sondern „Halten“ im Sinne von „bewahren“, „im Herzen behalten“.

Bei Paulus heißt es im Römerbrief: „Der Glaube kommt vom Hören.“ (Röm 10,17) Nur, indem wir seine Worte hören und sie festhalten, uns daran festmachen, können wir überhaupt glauben. Wir können gar nicht Jesus lieben, ohne auf sein Wort zu hören.

Papst Benedikt XVI. hat einmal gesagt: Der christliche Glaube ist kein System von Lehren, die man zu befolgen hat, sondern der Glaube an eine Person. Das Vertrauen in eine Person.

Ich glaube, ich vertraue, dieser Person, diesem Jesus, und seinem Wort, das er über seinen Vater sagt. Ohne dieses Wort haben wir nichts, woran wir glauben können. Er zeigt uns Gott genauso, wie er ist. Er ist Gottes Selbstmitteilung an die Schöpfung, sagen die Theologen. Da steckt „Mitteilung“ drin; Kommunikation. Er kommuniziert mit uns durch sein Wort und ganz – leibhaft, habhaft – durch seinen Leib im Mahl der Liebe. Und plötzlich ist Veränderung vielleicht gar nicht so schlimm, gar nicht mehr zum Verzweifeln.

Wir dürfen darauf vertrauen, dass auch Veränderung Erneuerung ist, unter dem Beistand seines Geistes geschieht. Auch wenn die Welt da draußen gerade so oft schier zum Verzweifeln ist. Sein Wort von Gott, der nichts ist als Liebe und Barmherzigkeit, bleibt, sein Wort vom Frieden, der über alles, was diese Welt uns geben kann, hinausgeht.

Darauf können wir bauen. Papst Leo hat uns letzte Woche gesagt, wir sollten … „ein kleines Stückchen Sauerteig sein, das Einheit, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit fördert [und] … der Welt mit Demut und Freude sagen: Schaut auf Christus! Kommt zu ihm! Nehmt sein Wort an, das erleuchtet und tröstet! Hört auf sein Angebot der Liebe, damit ihr zu seiner einen Familie werdet: In dem einen Christus sind wir eins.“ (Vgl. https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-05/wortlaut-predigt-von-leo-xiv-zur-amtseinfuhrung.html)

Jesus sagte diese Worte den Jüngern am Abend vor seinem Leiden. Wir hören sie heute nach dem Ostergeschehen. Die Jünger konnten sie da noch nicht verstehen. Wir hören diese Worte aus dem Glauben heraus, dass er mit Ostern alles neu gemacht hat. So friedlos unsere Welt auch ist, so herzlos wir oft selbst sind, und so verzweifelt über das, was um uns herum an Veränderung geschieht. Wir dürfen darauf bauen: Es hat schon begonnen, dass alles gut wird. Wir stehen auch heute; mit unserem ganzem Leben IN der Osterzeit. Es hat schon begonnen, dass alles gut wird.

(Predigt in der Wort-Gottes-Feier zum 6. Sonntag der Osterzeit C am 24.5.2025 in St. Hildegard, Berlin-Frohnau)

 

 

 

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