Am letzten Donnerstag haben wir Christi Himmelfahrt gefeiert. Wir feiern da einen Abschied, und wir alle kennen das: Abschiede sind nie leicht. Christus hat diese Welt verlassen. Er ist für uns nicht mehr sichtbar; wir können ihn nicht anfassen, wie mein Namenspatron es konnte; wir können auch nicht mit ihm sprechen, wie Maria Magdalena es konnte. Wir können nur der Verheißung vertrauen, dass er dennoch bei uns bleibt – in seinem Geist. An Christus glauben heißt: An den Geist glauben, an das Geistige in der Welt; und nicht nur an das Materielle zu glauben; dass das ganze Sein der Welt durchdrungen ist von seinem Geist. Das sagt er uns an Christi Himmelfahrt und Pfingsten: dass wir nicht in der Leere und Einsamkeit bleiben, nicht allein gelassen und auf das Nichts zugehen, das Vergehen von allem.
Wir leben in der Osterzeit. Immer noch. Nicht nur 50 Tage – einmal im Jahr. Wir leben in der Osterzeit – unser ganzes Leben. Ostern ist schon geschehen: Es hat schon begonnen, dass alles gut wird. Das verheißt uns Christus an Himmelfahrt und Pfingsten. Darauf können wir unser ganzes Leben bauen.
Und heute hören wir im Evangelium diese Stelle, wo Jesus am Abend vor seinem Leiden für uns betet – auf dem Weg zum Ölberg: das sog. „Hohepriesterliche Gebet“. (Übrigens ein Ausdruck, der ursprünglich von einem Protestanten stammt; nicht von einem Katholiken.) Das ganze 17. Kapitel des Johannesevangeliums ist dieses Gebet Jesu zu seinem Vater – für sich selbst, für die Jünger und für uns. Immer am Sonntag nach Christi Himmelfahrt hören wir einen Abschnitt aus diesem 17. Kapitel – und heute hörten wir, wie Jesus darum betet, dass alle eins seien: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21).
Vor genau 30 Jahren veröffentlichte Papst Johannes Paul II. eine Enzyklika mit dem Titel: „Ut unum sint (Damit alle eins seien).“ Nicht jede Enzyklika ist automatisch ein Meilenstein. Diese aber schon. Johannes Paul II. gab ihr den Untertitel: „Über den EINSATZ FÜR die Ökumene“. Nicht einfach nur über „Ökumene“ allgemein wollte er etwas sagen, sondern ganz klipp und klar: Über den „EINSATZ für“, also dass es gar nicht anders geht als ökumenisch. Im lateinischen Original der Enzyklika steht sogar als Überschrift: „Über die Pflicht zur Ökumene (officio)“. Leider ist dieser programmatische Text ein wenig in Vergessenheit geraten, so wie die Ökumene überhaupt, finde ich.
Natürlich gehen wir freundschaftlich und nachbarschaftlich mit unseren Glaubensschwestern und –brüdern um, mit den orthodoxen wie den evangelischen. Wir feiern Gottesdienste gemeinsam – z. B. hier bei uns wieder an Pfingstmontag; manche von uns sind in der anderen Gemeinde im Chor.
Und Gott sei Dank sind die Zeiten vorbei, wo man sich bekriegte oder den anderen bekehren zu müssen glaubte. Wir Katholiken haben auch – Gott sei Dank – aufgegeben, dass Ökumene eigentlich: „Rückkehr-Ökumene“ heißen würde, also: die anderen müssten halt endlich zurückkehren, damit es wieder Einheit geben kann. Diese Einstellung nach Rückkehr wurde explizit im II. Vatikanischen Konzil verworfen, und nur ein paar Ewiggestrige denken noch so. Heute verstehen wir Ökumene als „Einheit in Vielfalt“. Aber leben wir auch so? Oder leben wir vielleicht nur nebeneinander her? Interessieren wir uns wirklich für die Anderen? Betrachten wir uns als Einheit?
Allein zu sagen: „die Anderen; wir und die.“ Allein das eigentlich ist schon un-ökumenisch; nicht im Geist dieses Gebets Jesu. Natürlich brauchen wir Menschen Gruppenidentitäten – Gewohnheiten – Vertrautes. Und das Vertraute definiert uns. Aber als Christen dürfen wir eben nicht stehen bleiben bei dem, was wir kennen und gewohnt sind. Christus betet hier nicht um Uniformität; dass alles gleich ist.
Johannes Paul II. hat damals gesagt: Wir müssen die unterschiedlichen Formen des Gebets, der Liturgie, der Lebensgestaltung kennen und anerkennen; denn alle sind sie Gebet im Geist Christi und alle bekennen sich zu ihm im Bekenntnis von Nicäa, dessen Jubiläum wir dieses Jahr feiern (1700 Jahre Konzil v. Nicäa).
Wir sind Schwestern und Brüder, weil wir in der Taufe zugesagt bekommen, Gottes geliebte Kinder zu sein – und zu bleiben. Alle!
Christus betet nicht um Uniformität. Er betet darum, dass alle eins seien, nicht gleich seien. Eine Einheit – eine untrennbare Verbundenheit! Das ist Ökumene. Das Wissen um diese Verbundenheit, die nicht zu trennen ist, außer durch Zerstörung. Und warum betet er so? „Damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast. … Wie ich in dir bin, so sollen sie alle in mir sein.“ Nur durch dieses gemeinsame Bekenntnis: Dass Christus der Sohn des Vater ist, der Retter, der Erlöser, und dass wir alle in die Liebe des Vaters zum Sohn mithineingenommen sind, nur so sind wir eins und nur so erkennt auch die Welt, wer Christus wirklich ist. („Die Welt“ heißt bei Johannes hier: die, die noch nicht zum Glauben an Christus gekommen sind.)
Indem wir in der Liebe sind, also wissen, dass wir alle mithineingenommen sind in die Liebe des Vaters zum Sohn, von Ewigkeit her („vor der Grundlegung der Welt“), und dies auch zeigen, nur so können wir der Welt glaubhaft machen, dass Jesus wirklich Mensch geworden ist, um uns aus der Macht der Angst um uns selbst zu befreien.
Dass uns das gelingt, auch im Alltag, im ganz Kleinen, im Umgang mit unseren Schwestern und Brüdern, dass wir ein Zeichen der Hoffnung in dieser Welt sind, das wünsche ich uns – auch wenn Vieles in dieser Welt schiefzugehen scheint.
Dass wir Zeichen der Hoffnung sind, denn Ostern ist schon geschehen. Es hat schon begonnen, dass alles gut wird.
(Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit C am 31.5.2025 in Christkönig, Berlin-Lübars, und 1.6.2025 in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf).
Bild: https://www.dbk.de/themen/heiliges-jahr-2025/materialien#c9863