Pfingsten – das liebliche Fest?

Evangelium

Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken
übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel.“, so der Anfang von Goethes „Reineke Fuchs“.

Pfingsten: das „liebliche Fest“, das sieht nicht nur Goethe so. Auch heute finden sicher viele, dass das schöne Feiertage sind; alles grünt und blüht; es wir schon bald Sommer. Ich erinnere mich, als man in den 90ern einen Feiertag in Deutschland abschaffen wollte, um die Pflegeversicherung zu finanzieren, lief die Tourismus-Branche Sturm, um Himmels willen nicht den Pfingstmontag abzuschaffen. Nicht aus religiösen Gründen, sondern weil das so eine angenehme Jahreszeit ist, um hier bei uns Urlaub zu machen und die Tourismus-Industrie zu stützen.

Religiös hat Pfingsten hierzulande nur noch bei einer Minderheit heute eine Bedeutung. Wenn man heute Umfragen macht, wissen fast Dreiviertel der Deutschen nicht, WORUM es an Pfingsten geht. Und wenn Pfingsten EINS sicher nicht sein will, dann lieblich. Denn bei Pfingsten geht’s um was!

Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus.“ (Apg 2,2) Lieblich ist anders. Wir lesen es in der Apostelgeschichte: Ein Brausen. Feuerzungen. Fremde Sprachen. Menschen, die einander plötzlich verstehen – obwohl sie so unterschiedlich sind. Ein dramatisches Bild. Und es markiert einen Wendepunkt.

Wir sagen gern: Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Aber nicht, weil sich die Apostel damals hingesetzt und eine Organisation gegründet hätten. Sondern weil Gottes Geist wirkt. Weil er eine neue Dynamik in die Welt bringt: Weil er Gottes Gegenwart mitten unter uns ist – lebendig, bewegend, verbindend. Dasa haben sie erkannt. In der Lesung eben haben wir gehört, wie Menschen aus allen möglichen Regionen versammelt sind: aus Parthien, Medien, aus Kleinasien, Nordafrika, Rom. Unterschiedliche Kulturen, Sprachen, Lebensweisen. Und doch: Sie alle hören die Apostel in ihrer eigenen Sprache reden. Was für ein starkes Bild!

Pfingsten kehrt das um, was in Babel geschah. Damals, als die Menschen sich selbst ein Denkmal setzen wollten, einen Turm bis zum Himmel. Das Projekt ihrer Selbstüberschätzung – und Gott verwirrte ihre Sprache.

Bei Pfingsten ist es umgekehrt: Nicht der Stolz des Menschen, sondern das offene Herz wird belohnt. Der Heilige Geist überwindet die Trennung. Darum geht es. Er bringt Verständigung und Einheit. Der Heilige Geist ist kein ferner, theoretischer Begriff. Er ist auch kein “Bonus” am Ende der Osterzeit. Er ist die lebendige Kraft Gottes in uns. Ja die Liebe Gottes, die über uns ausgegossen ist.

Er ist es, der aus verängstigten Jüngern mutige Zeugen macht. Er ist es, der Maria, die Mutter Jesu, im Gebet mit den Aposteln verbindet. Und er ist es, der auch uns erfüllen will – heute, hier, in unserem Alltag.

Vielleicht sagen Sie: Also ich spüre diesen Geist nicht. Ich höre kein Brausen, sehe keine Feuerzungen. Und doch – der Geist wirkt. Oft still, aber mächtig. Immer dann, wenn Menschen sich versöhnen. Wenn jemand den Mut findet, zur Wahrheit zu stehen. Wenn jemand einem anderen zuhört – wirklich zuhört. Für andere da ist. Wenn Glaube lebendig wird, nicht nur aus Gewohnheit. Wenn wir bekennen: Ja, Jesus ist wirklich der Auferstandene, der Herr, der Retter und Erlöser. Dann ist das der Geist Gottes, der in uns wirkt.

Im ersten Korintherbrief schreibt Paulus, dass der Geist viele Gaben schenkt, aber alle kommen aus dem einen Geist – und alle dienen dem gemeinsamen Aufbau. Das bedeutet: Jede und jeder von uns hat etwas vom Geist empfangen – in der Taufe, in der Zusage, Gottes geliebte Kinder zu sein. Vielleicht die Gabe der Geduld. Oder der Weisheit. Oder des Dienens. Oder des Trostes. Nicht alle müssen predigen. Nicht alle müssen vorne stehen. Aber alle gehören zusammen. Und alle sind gebraucht. Gerade heute, wo viele Menschen sagen: „Die Kirche ist nicht mehr glaubwürdig“, ist es umso wichtiger, dass wir gemeinsam authentische Zeuginnen und Zeugen des Evangeliums sind. Nicht laut, nicht belehrend – aber echt, vom Geist erfüllt, vom Evangelium getragen.

Im Evangelium, das wir an Pfingsten hören, erscheint Jesus den Jüngern – inmitten ihrer Angst – und sagt: „Friede sei mit euch!“ Und dann: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben.“ (Joh 20,19) Frieden und Vergebung; Barmherzigkeit. Das ist das Herz des Evangeliums. Das ist auch der Auftrag, den wir alle mit Pfingsten bekommen: wenn wir Kirche sein wollen, also zum Herrn gehörig. Hinauszugehen – als Menschen, die Frieden bringen. Die andere aufrichten; Die in dieser Welt einen Unterschied machen – weil sie an den Gott der Liebe glauben.

Pfingsten ist kein Fest der Vergangenheit und nicht nur das liebliche, harmlose Fest. Es ist ein Fest der Gegenwart Gottes in dieser Welt – in dir und mir, in unserer Gemeinde, in der Welt. Für immer. Es geht darum, wie wir leben und wie wir für unser Leben Hoffnung haben. Und dass auch wir ein Zeichen der Hoffnung sind für andere, denn wir würden nicht vergessen:

Liturgisch mag die Osterzeit an Pfingsten enden, aber existentiell, für unser Leben, endet Ostern nicht. Ostern ist geschehen – ein für alle Mal und wir Leben mit unserer ganzen Welt in der Osterzeit. Auch wenn die Welt so wenig danach aussieht. Ostern ist schon geschehen. Es hat schon begonnen, dass alles gut wird. Gottes Geist ist in der Welt – für immer. Und auch wenn wir Menschen uns scheinbar noch so sehr anstrengen: Wir löschen ihn nicht aus. Gottes Geist der Liebe bleibt.

Am Ende von Reineke Fuchs schreibt Goethe:

Zur Weisheit bekehre bald sich jeder
und meide das Böse, verehre die Tugend! …
UNS verhelfe der Herr zur ewigen Herrlichkeit!“

Dass wir uns zu dieser Weisheit bekehren,
dass Gottes Geist in uns spürbar ist;
Das wünsche ich uns allen.

Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen
… und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe.
Sende aus deinen Geist und alles wird neu geschaffen werden.
… Und du wirst das Angesicht der Erde erneuern.

(Predigt in der Wort-Gottes-Feier zum Pfingstfest am 7.6.2025 in St. Hildegard, Berlin-Frohnau und 8.6.2025 im Franz-Jordan-Stift, Berlin-Waidmannslust)

Bild: privat

 

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