
Wir haben die Fastenzeit begonnen, viele wahrscheinlich mit guten Vorsätzen, auf etwas zu verzichten. Gleichzeitig wissen wir: Fasten ist sicher gut und richtig, hilfreich und wichtig, aber in der Vorbereitungszeit auf Ostern geht es nicht allein ums Fasten; nicht allein ums Verzichten. Es geht nicht allein darum, uns zu verbessern, zu optimieren; es geht auch nicht allein darum, Buße zu tun, für was auch immer. Die Fastenzeit ist niemals Selbstzweck.
Es geht darum umzukehren, uns hinzuwenden zu ihm, zu Jesus, zu dem, der Leben schenkt und damit umzukehren zum Leben selbst. „Fastenzeit“ nennen wir diese Zeit im Deutschen und in einigen germanischen Sprachen. In den meisten anderen, in den romanischen Sprachen vor allem, heißt diese Zeit genau nach dem, was sie ist: „40“, („carême“ im Französischen, „quadragesima“ im Lateinischen, „quaresima“ im Italienischen); also die 40 Tage, in denen wir auf Ostern zugehen; auf das Ziel, nicht nur unseres christlichen Glaubens, sondern auf das Ziel unseres Lebens. Denn Ostern ist das Ziel unseres Lebens, der Sieg des Lebens über den Tod, und darauf wollen wir uns in den 40 Tagen vor Ostern vorbereiten, indem wir dem Lebendigen begegnen, Jesus, und seinen Weg mitgehen.
Wenn wir auf unsere Dienste schauen, die wir in der Kirche erbringen, dann sind auch die nicht Selbstzweck, denn sie haben nicht den Sinn, dass wir eine Rolle spielen, so wichtig wir uns manchmal auch nehmen; auch nicht den Sinn, die Liturgie bloß zu verbessern, zu verschönern, zu optimieren. Diese Dienste haben nur den einen Sinn: stellvertretend für die Vielen Teil des Gottesdienstes zu sein; Teil des Dienstes also, den Gott an uns vollbringt. Denn nicht wir dienen Gott im Gottesdienst: Gott dient uns. Es ist sein Dienst an uns, den wir feiern, und es ist der Dienst Jesu an uns, dem wir in der Vorbereitungszeit auf Ostern ganz besonders intensiv begegnen wollen. Ganz egal, was wir in diesen Diensten, die wir selbst erbringen, auch tun, sei es die Kommunion auszuteilen; das Wort der Schrift zu lesen oder zu singen; sei es, die Liturgie vorzubereiten:
Immer geht es darum, dass wir stellvertretend für die Vielen an dem Dienst, den Jesus an uns tut, mitwirken, teil-nehmen, Teil seines Dienstes werden. Denn derjenige, der hier zuallererst etwas tut, ist Jesus selbst. Er schenkt sich uns in seinem Wort, in seinem Sakrament; er gibt sich uns Menschen hin, damit wir die Fülle des Lebens erfahren.
Am 1. Fastensonntag haben wir das Hirtenwort unseres Bischofs gehört. Darin geht es um das Jubiläum, das wir in diesem Jahr begehen: „1700 Jahre Konzil von Nizäa“. In seinem Hirtenwort erläutert Erzbischof Koch, worum es in Nizäa eigentlich ging. Um die Grundfrage aller Christen: Wer ist dieser Jesus für uns? Darum wurde nicht nur 325 in Nizäa heftig gestritten. Auch heute wird diese Frage wahrscheinlich von denen, die Sonntag für Sonntag in den Kirchen sitzen, ganz unterschiedlich beantwortet; von denen draußen in der Stadt gar nicht zu reden.
Für den heutigen Tag (Freitag der 1. Fastenwoche) hat der frühere Bischof von Limburg, Franz Kamphaus, eine kurze Fastenmeditation verfasst, die, wie finde ich, gut passt:
„Es ist deutlich zu spüren, dass Gott heute für viele Zeitgenossen ein Fremdwort geworden ist. In der Öffentlichkeit wird er allenfalls noch bei feierlichen Anlässen erwähnt. Unsere Welt wird wie selbstverständlich ohne Gott geplant und gestaltet.
Ist Gott nicht auch im Bewusstsein und in der Praxis der Kirche an den Rand geraten? Das hat Jesus anders gewollt. Gottes Herrschaft hat er gegenüber allen menschlichen Autoritäten unnachgiebig zur Geltung gebracht. Stattdessen beschäftigen wir uns heute vor allem mit Kirchenfragen. Sie können uns so sehr in Anspruch nehmen, dass wir Gott dabei aus den Augen verlieren. Dann reden wir schließlich vom Inventar… . Oder wir reden über das Haus, als sei dieses selber auch ein Möbelstück.
Wir machen Gott zu einem Gegenstand der kirchlichen Inneneinrichtung und vergessen, dass er der ist, »in dem wir leben, uns bewegen und sind« (Apg 17,28).
Eigentlich können wir gar nicht »über« ihn reden. Wir können allenfalls zu ihm rufen, stammelnd von ihm sprechen – unter ihm stehend, wie man in einer Kirche unter dem Gewölbe steht und nur im Ausschreiten des Kirchenschiffes den Raum selber erfahren kann.“ (1)
„Stammelnd“ also stehen wir vor diesem Gott und beten:
Barmherziger Gott, Du führst uns unseren Weg. Du bist es, der uns in Jesus entgegenkommt. Auch jetzt, auch hier! Lass uns Deinem Geist nachspüren. Lass uns in den verschiedenen Diensten, die wir tun, Dich suchen; Dein Wort; Deine Gegenwart. Lass uns teilnehmen am Dienst Jesu für unsere Mitmenschen, und lass uns uns selbst nicht ganz so wichtig nehmen durch ihn, Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen.
(Impuls für das Treffen der ehrenamtlichen liturgischen Dienste am 14.3.2025 in Maria Gnaden, Berlin-Hermsdorf)
Anm.:
(1) Vgl.: Kamphaus, Franz: Gott ist kein Nostalgiker. Anstöße für die Fasten- und Osterzeit. Freiburg, 2012, S. 22.